„Chain-Gang All-Stars“ von Nana Kwame Adjei-Brenyah

Ich habe dieses Buch schon vor Monaten bei einer amerikanischen Booktuberin gesehen und war sofort neugierig, als sie davon berichtete, worum es geht und wie es ihr gefallen hat. Es klang nach „Die Tribute von Panem“ für Erwachsene. Und genau darauf habe ich schon seit Wochen Lust! Meine Erwartungen waren also extrem hoch. Und so viel kann ich sagen: „Chain-Gang All-Stars“ war ganz anders als ich es erwartet habe, aber auf eine andere Art um so viel besser als ich es mir hätte vorstellen können.

Klappentext

Amerika in naher Zukunft. Loretta Thurwar und Hurricane Staxxx sind die Stars der „Chain-Gang All-Stars“. Sie sind zu lebenslanger Haft verurteilt, aus der es nur einen Ausweg gibt: Als moderne Gladiatorinnen kämpfen sie mit einer Sense und mit einem Hammer bewaffnet auf Leben und Tod gegen andere Straftäter – und das ganze Land fiebert am Bildschirm mit. Wer den Gegner tötet, steigt in der Rangordnung auf und nähert sich von Staffel zu Staffel dem ultimativen Ziel: der Freiheit. Nichts scheint Loretta und Hurricane aufhalten zu können. Doch dann entschließt sich die Regie, die Regeln zu ändern, um dem tobenden Publikum etwas nie Dagewesenes zu bieten.

Meine Meinung

Ich habe also eine super spannende Arena-Story erwartet. Und in Sachen Spannung hat das Buch nicht direkt meine Erwartungen getroffen. Denn genau die Sequenzen in der „Arena“ waren überhaupt nicht das spannende an dem Buch. Es war viel mehr das drum herum. In „Chain-Gang All-Stars“ geht es zwar natürlich um Kämpfe auf Leben und Tod und sie kommen definitiv auch vor. Sie sind blutig und brutal, dessen sollte man sich vor dem Leben Bewusst sein. Aber dieses Buch lebt vor allem von den Szenen außerhalb der Kämpfe. Davon wie dieses gesamte System entstanden ist, wie Kämpfer nur aufgrund einer ungerechten Welt als diese enden, wie Mörder immer wieder zu Mördern gemacht werden und trotzdem zu so immens tiefen Gefühlen für ihre Mitgefangenen fähig sind.

Ich habe auch erwartet, dass das Buch von Anfang bis Ende mitreißend sein würde. Und auch wenn es auf andere Art spannend war als ich es erwartet hatte, hing ich geradezu an den Seiten. Also ja, mitreißend ist „Chain-Gang All-Stars“ auf jeden Fall. Zugegeben, anfangs habe ich mir ein bisschen schwer getan, in die Handlung reinzufinden. Dieses Buch wird in so vielen unterschiedlichen Erzählstimmen beschrieben. Wir verfolgen nicht nur unterschiedliche Charaktere während des Buches, wir fühlen all das, was sie fühlen. Und so hat man in jedem Kapitel wirklich eine andere Stimme im Kopf, die ihre Geschichte erzählt. Ob es Thurwar oder Hurricane Staxx aus dem Klappentext sind, die schon erfahrene Kämpferinnen sind, oder ein Gefangener, der sich gerade erst zu der Teilnahme an den Kämpfen entscheidet. Ob es eine Demonstrantin ist, die diese Kämpfe beenden will, oder einen Vorstandsvorsitzenden der Gewinne aus den Kämpfen auf Leben und Tod scheffelt. Ob es eine Journalistin ist, die nicht mehr darüber berichten will, oder ein Fan, der jeden Kampf wie ein Football-Spiel verfolgt.

All diese Erzählstimmen machen es einem erst mal vielleicht schwer, in die Handlung reinzufinden. Aber wenn man mal in der Geschichte ist, machen sie dieses Buch zu einem umso besondereren Leseerlebnis. Allein schon handwerklich finde ich diese Art, eine Geschichte zu erzählen, absolut unglaublich. Aber auch für die Handlung hat es so viel getan, weil jede Seite dieser Kämpfe beleuchtet wird. Und das macht alles so viel realer, so viel nahbarer und so viel schmerzhafter.

Alle Kämpfer entscheiden sich freiwillig für dieses Schicksal auf Leben und Tod kämpfen zu müssen. Deshalb ist es umso schmerzhafter mitzuerleben, dass es oftmals nicht wirklich eine Entscheidung ist, dass sie nicht das Töten in einer Arena wählen, sondern das geringere Übel, weil ihre aktuelle Situation noch so viel unerträglicher erscheint. Sie stürzen sich von einem Leid ins andere, während hunderte Zuschauer am Rand der Arena stehen und über ihren Tod in einem Gemetzel jubeln.

In „Chain-Gang All-Stars“ finden sich immer wieder Fußnoten. Darin werden teilweise fiktive Gesetze oder technische Gegenstände erklärt. Aber es gibt auch Fußnoten, die sich auf die aktuelle Realität beziehen. Beispielsweise darauf, wie viele unschuldige Personen in den letzten Jahrzehnten zum Tode verurteilt wurden – und dass ein viel höherer Anteil dieser unschuldig verurteilten Personen schwarz war. Damit möchte der Autor ganz eindeutig auf die rassistischen Missstände im Strafvollzug hinweisen. Gleichzeitig schafft diese Kombination aus realen Fakten und fiktiven Ideen ein ganz beklemmendes Gefühl beim Lesen. Weil man sich die ganze Zeit denkt: Wie abwegig ist ein solches Zukunftsszenario?

Am Ende geht es hier also nicht um eine spannende Story, in der in Arenen gekämpft wird. Es geht viel mehr darum, was es mit diesen Menschen macht, die sich dazu gezwungen fühlen, weitere Morde zu begehen, um sich von dem Mord, der sie ins Gefängnis gebracht hat, zu rehabilitieren. Wie diese Kämpfer, vor allem Thurwar und Hurricane Staxx, damit umgehen zu Monstern gemacht zu werden.

FAZIT

Dieses Buch hat mich komplett in seinen Bann gezogen. Es hat so einen Kokon aus unterschwelliger Spannung und widerstreitenden Gefühlen um mich gesponnen, dass ich nach jedem Lesen erst einmal für ein paar Sekunden in die Realität zurückfinden musste. Ich habe mich so sehr als Teil dieser schrecklichen Handlung gefühlt. Wegen all dieser Gefühle, die „Chain-Gang All-Stars“ in mir ausgelöst hat, ist es definitiv eines meiner Jahreshighlights.



„Chain-Gang All-Stars“ von Nana Kwame Adjei-Brenyah

Einzelband | Roman, Dystopie | 480 Seiten

gelesen im März 2024 | 7 Tage gelesen

Verlagsseite

★★★★★


Auf der Shortlist für den National Book Award 2023

Eure Kate
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2 comments

  • Zeilentänzerin says:

    Hallo Kate, ich bin derzeit ja auch am Lesen des Buches und sehr gefesselt. Die Spannung empfinde ich auch eher während der Szenen außerhalb der Arena. Und auch die Fußnoten, die Wissenswertes vermitteln gefallen mir. Bin so gespannt, wie es mir am Ende gehen wird.

    Zeilentänzerin

    Reply
    • Kate says:

      Ich bin auch so gespannt auf deine Meinung! Es ist schon ein sehr besonderes Buch.

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