Den Roman “Yellowface” von Rebecca F. Kuang habe ich hauptsächlich wegen der Empfehlung einer Freundin gelesen. Das Buch ist am 16.05.2023 im Harper Collins USA Verlag erschienen und hat 336 Seiten. Am 29.02.2024 wird es auf deutsch beim eichborn Verlag erscheinen. Das Buch handelt von Juniper Song, die nach dem Tod einer berühmten Schriftstellerin deren Manuskript als ihres ausgibt. Es geht also um Plagiat, aber auch um Rassismus, Gesellschaft und Einsamkeit.
Meine Meinung
Als ich mit “Yellowface” begann, hatte ich überhaupt keine Erwartungen. Ich hatte nicht mal eine wage Vorstellung davon, was in diesem Buch passieren würde, außer, dass es um Plagiat geht. Und dennoch hing ich von Beginn an an den Seiten. Ich konnte das Buch kaum weglegen, so sehr hat mich die Geschichte rund um June und Athena gefesselt. Dabei erinnert mich der Erzählstil ein bisschen an “Die sieben Männer der Evelyn Hugo”, denn auch darin passierte nicht immer unbedingt viel und trotzdem war der Schreibstil so unvergleichlich, dass man nicht aufhören konnte zu lesen.
So ist es auch bei Kuangs “Yellowface”. Es ist auf eine so besondere Art geschrieben, dass man unbedingt wissen will, wie es weiter geht. Die Handlung bietet ein paar Knackpunkte, die wahnsinnig viel Spannung bieten. Und während die Geschehnisse sich teilweise überschlagen, wird alles in einem sehr ruhigen Ton erzählt.
Junes Handeln
In diesem Buch geht es, wie bereits erwähnt, um Plagiat. June schreibt schon seit langem Bücher und hat auch schon eines veröffentlicht. Leider hat sich dieses als ziemlicher Flop entpuppt, weshalb ihr die Begegnungen mit Athena immer einen Stich versetzen. Sie und Athena kennen sich seit dem Studium. Beide sind Schriftstellerinnen, doch haben sich ihre Karrieren unterschiedlich entwickelt. June kann vom Schreiben nicht leben, Athena hingegen gehört zu den Autorinnen-Superstars. Sie ist unglaublich erfolgreich und schreibt einen Bestseller nach dem anderen.
Als June miterlebt, wie Athena an einem Stück Pancake erstickt, gelangt sie zu einem kleinen Augenblick Ruhm. Die Leute kennen sie auf einmal, weil sie Athenas letzte Minuten miterlebt hat, und irgendwie gelangt sie so in einen Strudel von Falschheit. Die Aufmerksamkeit gefällt ihr, gleichzeitig liest sie Athenas letztes fertiges Manuskript, von dem noch niemand weiß. Sie erkennt Mängel daran und beginnt, es zu überarbeiten. Und auf einmal ist es nicht mehr nur Athenas Buch, sondern auch ihres.
Was ich bei all dem wahnsinnig spannend finde, ist die Tatsache, dass Junes Handeln aus objektiver Sicht absolut falsch ist. Plagiat ist das schlimmste, das man Kunstschaffenden antun kann. Und trotzdem ist das Buch so intensiv geschrieben, dass man sich in June hineinversetzen kann und bis zu einem gewissen grad versteht, wieso es zu all dem gekommen ist.
I I know you won’t believe me, but there was never a moment when I thought to myself, I’m going to take this and make it mine. It’s not like I sat down and hatched up some evil plan to profit off my dead friend’s work.
– Seite 29
Ein Verlag ohne Moral
Was mir an diesem Buch auch besonders gut gefallen hat, ist der Einblick in die amerikanische Buchbranche. Als schreibende Person fand ich Junes Schaffensprozess in diesem Buch unglaublich inspirierend. Ich hätte immer wieder gerne einen Stift zur Hand genommen, um selbst zu schreiben (natürlich meine komplett eigenen Werke 😉 ), gleichzeitig konnte ich das Buch aber nicht aus der Hand legen.
Besonders erschreckend war für mich, dass auch in einer Kulturbranche Business einfach nur Business ist. Denn, auch das habe ich bereits erwähnt, in “Yellowface” geht es auch um Rassismus. Athenas Vorfahren stammen aus China, während June einfach nur weiß ist. Dennoch klaut sie das Buch über chinesische Geschichte im Ersten Weltkrieg. Und die Frage, die dabei aufkommt: Darf eine weiße Autorin das? Darf sie über diese Dinge schreiben? Darf ein Verlag einer Autorin ein asiatisch klingendes Pseudonym geben, um die Leser*innen so offensichtlich zu täuschen? Selbst als über Juniper Song ein Shitstorm einbricht und sie und der Verlag als rassistisch bezeichnet werden, wird all dies zu Gunsten der steigenden Buchverkäufe gern in Kauf genommen.
FAZIT
“Yellowface” hat eine ganz besondere Wirkung auf Leser*innen. Es hat mich sehr gefesselt, inspiriert endlich wieder selbst zu schreiben, und gleichzeitig so viele Emotionen für eine Protagonistin fühlen lassen, die einfach eine schlechte Person ist. Dieses Buch ist interessant, spannend, und regt so sehr zum Denken an. Gleichzeitig behandelt es mit den Themen “Plagiat” und “Rassismus” wichtige gesellschaftliche Themen, für die mehr Bewusstsein geschaffen werden muss.
Bei between the lines gibt es eine weitere Rezension zum Buch. Und zum Schluss noch eine (für mich) passende Buchempfehlung: „Die sieben Männer der Evelyn Hugo“ von Taylor Jenkins Reid.