„When the Storm comes“ von Carina Schnell

In meiner Rezension zu „The Dream of us“ habe ich schon angekündigt, dass ich einen Buddyread mit einer Freundin hatte und wir das Buch beide nicht besonders gut fanden. Tja, das hier ist es und jetzt kommt auch schon die Rezension. Sie wird nicht gut ausfallen, so gar nicht. Also falls euch das Buch gefallen hat und ihr den guten Eindruck nicht von mir kaputt machen lassen wollt, dann lest diesen Rant besser nicht.

Meine Meinung

Dieses Buch hätte so gut werden können! Ich habe mich richtig darauf gefreut, weil ich das Cover hübsch fand und den Farbschnitt! Kanada, Kleinstadt, Wohlfühlbuch – das habe ich erwartet. Der Anfang war sogar noch richtig gut, und das trotz meiner Bedenken wegen dem grumpy Protagonisten. Denn Jack war gar nicht so grumpy. Und auch wenn mir der Schreibstil schon zu Beginn sehr wechselhaft vorkam, war ich zumindest bis Kapitel 6 total in der Geschichte und dachte: Das wird gut! Wurde es aber leider nicht.

Auf ihrem Roadtrip durch Kanada strandet Marly nach einer Panne im verschlafenen Küstenort St. Andrews. Um ihr Reisebudget aufzustocken, hilft sie in der Tierarztpraxis aus. Dort trifft sie den attraktiven, wortkargen Jack mit den seegrünen Augen und dem süßen Golden Retriever. Zunächst hält er wenig von der quirligen Großstädterin, aber als die beiden während eines Sturms in einer entlegenen Hütte festsitzen, sprühen nicht mehr nur die Gewitterfunken. Wäre da nicht Marlys Vergangenheit, die sie an diesem idyllischen Ort mehr denn je einzuholen droht, könnte sie fast für immer bleiben …
Quelle: Piper

Der Schreibstil

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Wie schon erwähnt, kam mir der Schreibstil von Anfang an sehr wechselhaft vor. Es gab Absätze, die waren ganz furchtbar, weil sie vor Adjektiven aus allen Nähten geplatzt sind. Es gab aber auch Absätze, die ganz gut waren und nicht so sehr von der Handlung abgelenkt haben. Und ja, gerade was den Schreibstil angeht, bin ich super kritisch und habe mich vor allem am Anfang selbst ermahnt, das etwas lockerer zu sehen. Ich habe also auch erst mal nur geschmunzelt, als Marly Jacks Augenfarbe erkennen konnte … während er mit dem Auto vorbeifährt. Oder als sie die Augenfarbe wieder erkennt … durch ein Schaufenster hindurch (er erkennt ihre Augenfarbe übrigens auch durch ein Schaufenster hindurch). Oder als sie Jacks Mutter kennen lernt und auch deren Augenfarbe über Meter hinweg erkennen kann.

Ich habe versucht, über all das hinwegzusehen. Weil ich wollte, dass mir das Buch gefällt. Aber ich hatte ja keine Ahnung, dass Marlys Superkraft, Augenfarben aus unglaublicher Entfernung zu erkennen, nur der Tropfen auf dem heißen Stein ist. Und ich möchte hier mal erwähnen, dass „Augenfarbe aus Metern Entfernung zu erkennen“ so einer der klassischen Fehler ist, die Autor*innen mittlerweile zu vermeiden versuchen (dachte ich zumindest). Immerhin hat das bei „Begin Again“ von Mona Kasten schon zu unzähligen Diskussionen geführt. Und falls ich mich nun irre und Kanadier*innen tatsächlich einfach so gute Augen haben, dann verzeiht mir bitte.

Aber wie gesagt, mit der Augensache fing es erst an. Weiter ging es mit Dialogen, die so sehr inszeniert wirkten, das ich mich nur fragen konnte: Wer redet denn so? Aber okay, vielleicht kann man darüber auch mit einem zugedrückten Auge hinwegsehen. Wo es dann für mich aber definitiv aufhört, ist, wenn ich Emotionen überhaupt nicht mehr nachempfinden kann. Und das war ab dem siebten oder achten Kapitel in diesem Buch durchweg der Fall.

Zunächst einmal ging mir der Umschwung von „grumpy sein und nicht mögen“ zu „sich gegenseitig mögen“ viel zu schnell. Ich bin da nicht mitgekommen – gefühlsmäßig. Was dann in einem sehr humorvollen Moment endete, als Jack denkt, er hätte ihr seine Gefühle früher gestehen sollen. Wann denn? Während des Lesens hat es sich angefühlt, als wären die Gefühle innerhalb von zwei Tagen entstanden. Ein „früher“ gibt es da eigentlich kaum.

Ich habe noch ein paar mehr Beispiele für diese großen und kleinen Logikfehler, die sich in das Buch geschlichen haben, und (meiner Meinung nach) im Lektorat hätten auffallen müssen. Ich zähle sie hier einfach mal auf:

  • Es geht Marly einmal emotional wirklich gar nicht gut und Jack begegnet ihr zufällig. Obwohl wir hier noch an der Stelle sind, an der sich die beiden nicht leiden können, ist er sehr aufmerksam und lieb und begleitet sie nachhause, weil er sie in dem Zustand nicht sich selbst überlassen möchte. Danach führt Marly ein Gespräch mit ihrer Besten Freundin, in dem diese erwähnt, dass Amerikaner so unhöflich sind. Und Marly denkt daraufhin, dass auch einige Kanadier unhöflich sind. Sie spielt damit auf Jack an, obwohl er sich kurz vorher so um sie gekümmert hat und wirklich einfach nur sehr nett war, was er nicht hätte machen müssen. Er hätte sie auch heulend am Strand sitzen lassen können.
  • Marly sagt einmal, dass an jeder Ecke in St. Andrews traurige Erinnerungen lauern. Erstens, war Marly zuvor nie in St. Andrews. Der Satz ist an sich also schon vollkommen unlogisch, und er wird nicht logischer, nur weil die Autorin sagt, dass Marly zwar noch nie dort war, aber trotzdem alles Erinnerungen weckt. Zweitens, wo lauern diese Erinnerungen? Während dem Lesen habe ich von den traurigen Erinnerungen nämlich kaum etwas mitbekommen. Und sie sind nicht einfach da, nur weil man als Autorin irgendwann mal erwähnt, dass sie da sind. Ich hatte beim Lesen sehr häufig das Gefühl, dass einige Sätze nur geschrieben wurden, um künstliche Emotionen aufzubauen. Das funktioniert so aber halt nicht. „Show, don’t tell“ ist da das Stichwort!
  • Gegen Ende des Buches gibt es noch einmal so ein Beispiel. Marly sagt, dass ihr Exfreund ihr schon an den Kopf geworfen hat, dass alles, worauf sie sich einlässt, in die Brüche geht. Was wieder einmal absolut keinen Sinn ergibt, weil Marly mit ihm Schluss gemacht hat. Da ist nichts einfach so in die Brüche gegangen, sondern es wurde eine Entscheidung getroffen, von Marly.
  • Jack wirft Marly irgendwann einmal vor, dass sie Leute zu schnell verurteilt. Was er mit ihr auch getan hat. Worauf sie ihn aber nicht hinweist. Okay, Boys dürfen das wohl.
  • Jack sagt einmal, dass Marly ihn von Anfang an umgehauen hat. Als sein Gegenüber das bestätigt, erwidert Jack ungefähr sowas wie: „Ganz so war es nicht, wir hatten einen holprigen Start.“ Also einerseits hat Marly ihn umgehauen, andererseits mochte er sie gar nicht. Muss man das verstehen?

Ich frage mich ernsthaft: Wie konnte all das durch ein professionelles Lektorat gehen? Wie?

Für das letzte große Drama wurde dann ein sehr klassisches Trope gewählt: Das Missverständnis. Hier ist es aber so schlecht umgesetzt, dass es das Paradebeispiel dafür ist, wie man es nicht macht. Ehrlich, es liegt nicht mal ein Missverständnis vor. So, wie ich es schwarz auf weiß gelesen habe, wie ich es gemeinsam mit Marly erlebt habe, frage ich mich: Mädchen, was ist los mit dir? Um da ein Missverständnis zu erzeugen, muss Marly so unglaublich viel Fantasie in die Worte hineinlegen, dass es für mich als Leserin absolut nicht mehr nachvollziehbar ist. Und sorry, aber da bin ich raus. Das war dann die Kirsche auf einem Cupcake voller Mist.

Und dass Marlys Suche nach ihrer Mutter am Ende überhaupt nicht mehr erwähnt wird, dass das Ganze nicht aufgelöst wird, macht das Ende dieses Buches noch dazu einfach nur unbefriedingend.

Die Charaktere

Zu den Charakteren kann ich gar nicht viel sagen, denn ehrlich gesagt, haben sie für mich absolut keine Persönlichkeit gehabt. Das einzige, das Marly ausmacht, ist ihre Sneaker-Obsession, die so oft erwähnt wird, dass es eigentlich nur noch nervig war. Wenn ich ein Buch lese, möchte ich eine Geschichte, die Emotionen in mir weckt. Und keine, die mich ständig stocken lässt, weil ich über die Aussprache eines Sneaker-Modells nachdenke.

Ein anderes Indiz für die fehlende Persönlichkeit ist, dass sich die Ausdrucksweisen der beiden an andere Charaktere anpassen. Beispielsweise holt Marly irgendwann ihr repariertes Auto ab und der Mechaniker nennt das Auto „alte Dame“. Marly ist total verwirrt, was er damit meint, nennt das Auto im nächsten Satz aber selbst „alte Lady“. Und ja, vielleicht ist das ein bisschen kleinlich von mir, aber wir haben hier schon einen großen Teil des Buches gelesen und es häuft sich so sehr, dass es nervt.

Über Jack weiß man übrigens auch nicht mehr als dass er einen Hund hat. Und anfangs ein bisschen grumpy war. Das war’s. Mehr macht ihn nicht aus. Und als Marly und er einmal miteinander flirten, klingen seine Sprüche mehr nach dem draufgängerischen Blake als nach ihm. Und zu Blake kommen wir auch noch.

Das Setting

Ich bin großer Kanada-Fan. Ich weiß nicht wieso, aber die Landschaft dort fasziniert mich einfach. Deshalb war ich auch total neugierig auf dieses Buch. Vor allem, als ich auf Instagram gesehen habe, dass die Autorin selbst in St. Andrews war. Ich dachte, dieses Buch wird landschaftlich schön, aber bis auf Jacks Wohnort auf einer Insel, die mit dem Auto nur bei Ebbe erreichbar ist, hätte das Buch auch irgendwo anders spielen können. Es gab keine besonderen Landschaftsbeschreibungen, leider.

Kurz wurde dann mal noch der Klimawandel angesprochen. Passte nicht so richtig zur Geschichte, aber genau so wurde es halt auch beschrieben. Nur ganz kurz, damit man „wichtiges gesellschaftliches Thema einbauen“ abhaken kann.

In diesem Buch geht es unter anderem auch um die „First Nations“, was ich total interessant finde. Vor allem, weil Marly so ein bisschen in die Traditionen und Bräuche eingeführt wird. Gerade das hätte das Buch so besonders machen können. Ich kann mir nicht erklären, wie das möglich ist, aber tatsächlich hat es die Autorin geschafft, dieses spannende Thema absolut langweilig darzustellen.

„Sexy“ Szenen

Wie die Überschrift schon erwarten lässt, fand ich die sexy Szenen in diesem Buch alles andere als sexy. Aber die sexy Time hat auch so einen verdammt miesen Start hingelegt, dass das nicht mehr zu retten kann. Denn Marly sitzt einmal im Sturm fest. Ihr müsst euch die Situation so vorstellen, dass sie ihre Jacke an zwei Ästen über sich gespannt hat, um ein bisschen vor dem Wetter geschützt zu sein. Jack findet sie und macht sich natürlich Sorgen um sie. Aber die Sorgen sind scheinbar nicht so groß, dass ihr durchs T-Shirt durchscheinende BH bei ihm unbemerkt bliebe. How romantic!

Und es wird noch besser, weil er sich dann auch, als es zur Sache geht, hungrig über die Lippen leckt. Und vielleicht liege ich ja falsch, weil Dirty Talk sowieso nicht mein Fall ist, aber gibt es wirklich Frauen, die es heiß finden, wenn man sich bei ihrem Anblick „hungrig“ über die Lippen leckt?

Triggerwarnung: Alkoholsucht

Ich finde es sehr löblich, dass sich die Autorin und der Verlag dazu entschieden haben, dem Buch eine Triggerwarnung hinzuzufügen. Hier ist auch die Alkoholsucht vermerkt, die sowohl in Marlys Vergangenheit als auch in Jacks Freundeskreis eine Rolle spielt. Das könnte jetzt gleich ein bisschen spoilern, ihr könnt also gerne diesen Part der Rezension überspringen, aber ich möchte unbedingt noch eines vorher loswerden: Die Warnung, dass das Thema vorkommt, hat mich nicht darauf vorbereitet, WIE das Thema behandelt wird. Das war nämlich einfach nur mies.

Also gut, ab hier könnte es spoilern. Wie bereits erwähnt, spielt Alkoholsucht in Marlys Vergangenheit eine Rolle. Ihr Vater ist Alkoholiker (nach wie vor), was als Kind, auch als erwachsenes Kind, absolut nicht einfach ist. Dass Marly also selbst keinen Alkohol trinkt, finde ich vollkommen nachvollziehbar, auch dass ihr betrunkene Leute nicht ganz geheuer sind. So weit so gut. Wo es mich ehrlicherweise ein bisschen geschüttelt hat, war der Umgang mit Blake. Blake ist ein langjähriger Freund von Jack, dessen berufliche Zukunft als Footballspieler durch einen Unfall ruiniert wurde. Seit dem trinkt er offenbar häufig zu viel Alkohol. Soweit thematisch auch noch vollkommen in Ordnung, aber die Art, wie er dargestellt wurde … Ich kann es nicht mal richtig benennen, aber es hat mir ein unglaublich schlechtes Gefühl bereitet. Einmal fragt Marly, ob Blake etwa schon wieder betrunken ist. Und diese Frage! „Ist er etwa schon wieder betrunken?“ Obwohl sie weiß, dass er ganz eindeutig nicht mit seinem Unfall klarkommt und deshalb seine Sorgen in Alkohol ertränkt. Und obwohl sie einen Alkoholiker als Vater hat. Ich finde diese Frage so extrem problematisch und habe mich beim Lesen so krass unwohl gefühlt, weil sie trotz ihrer Erfahrungen so seltsam damit umgeht.

Die Autorin hatte Sensitivity Reader für das Thema „First Nation“, was ich absolut großartig finde, aber für das Thema Alkoholsucht hätte sie ganz offensichtlich auch welche gebraucht. Und ehrlich gesagt kotzt es mich an, dass Alkoholsucht so oft als Drama-Trope genutzt wird, ohne das wirklich gut und unproblematisch damit umgegangen wird.

FAZIT

Leider muss ich sagen, dass ich wirklich sauer bin, Geld für dieses Buch ausgegeben zu haben. Bis auf die ersten paar Kapitel (die auch durchwachsen waren) konnte ich „When the Storm comes“ nichts positives abgewinnen. Dieses Buch ist eine einzige Enttäuschung, weil es emotional überhaupt nicht mitgerissen hat und vor Logikfehlern nur so trieft. Ich frage mich ernsthaft, was hier im Lektorat gemacht wurde, und weshalb das Buch online fast ausschließlich positive Rezensionen bekommt.

Eure Kate
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2 comments

  • Zeilentänzerin says:

    Hey du, auch wenn es gar nicht mein Genre ist, finde ich das Buch optisch schon sehr gelungen. Sie wirklich toll aus =)

    Zeilentänzerin

    Reply
    • Kate says:

      Optisch hat es mich auch direkt angesprochen. Zu schade, dass der Inhalt da so überhaupt nicht mithalten kann.
      Liebste Grüße!

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