Kennt ihr das, wenn ihr ein Buch lest, und es euch gar nicht so besonders vorkommt. Aber dann kommt ihr auf Seite 100-x-y an und auf einmal macht es Klick und ihr habt das Gefühl, noch nie etwas besseres gelesen zu haben? So ging es mir mit “I’m glad my mom died”. Inhaltswarnung: toxische Beziehung, Missbrauch, psychische Erkrankung, Essstörung.
Meine Meinung
Jennette McCurdy kenne ich hauptsächlich aus der Serie “iCarly”. Und auch nur deshalb wollte ich ihre Lebensgeschichte lesen. Jetzt, nach Lesen des Buches, fühle ich mich dabei richtig schlecht. Denn McCurdys Beziehung zu “iCarly”, nickelodeon und dem Schauspielern allgemein ist nicht unbedingt gut.
McCurdys Buch beginnt auch da, wo ihre Geschichte beginnt. Denn ein sehr großer Teil ihres Lebens wird einzig und allein von der Schauspielerei bestimmt. Wie sich nach und nach zeigt, ist es aber ihre Mutter, die die Kontrolle über alles hat – selbst über McCurdys Gedanken.
Zunächst wirkt alles noch harmlos. McCurdys Mutter drängt sie zu Schauspielcastings, um mit ihrer Tochter den Traum zu leben, den sie sich selbst nie erfüllen konnte. McCurdy spielt mit, denn für sie ist das schönste, ihre Mutter glücklich zu sehen. Sie geht zu Castings, obwohl diese ihr keinen Spaß machen. Sie holt die besten schauspielerischen Leistungen aus sich heraus, weil es für sie nicht in Frage kommt, ihre Mutter zu enttäuschen.
Ich habe an dieser Stelle zweimal überlegt, ob ich das Buch abbrechen soll. Weil das Erzähltempo ziemlich langsam ist. Weil McCurdy jede Situation beleuchtet, man sie gleichzeitig aber nicht begreift. Anders als bei der Britney Spears-Biografie kann man McCurdys erwachsenen Ton erahnen. Die Situationen und Erlebnisse werden bewertet und eingeordnet. Zumindest ein kleines bisschen, sodass man merkt, dass der kindlichen McCurdy Dinge aufgefallen sind, auch wenn sie sie nicht begreifen konnte. Das hat mir sehr gut gefallen, trotzdem habe ich mir schwer getan, am Text zu bleiben.
Ziemlich schnell wird McCurdys einziger Lebenszweck der, ihre Mutter glücklich zu machen. Sie lernt aus den Gesten und der Mimik ihrer Mutter zu lesen. Sie hungert nach dem Lob dieser Frau und ängstigt sich vor ihrer Wut. Ihre Aufgabe ist es, die Launen der Mutter zu erkennen und so darauf einzugehen, dass sie nie wütend oder traurig wird.
Und so beginnt diese enorme Abhängigkeit, die sich durch das gesamte Buch zieht. Toxische Beziehungen kommen in sehr vielen Familien vor, weshalb McCurdys Situation auf den ersten Blick nicht außergewöhnlich erscheint. Aber wie sie später, als sie ihr gesamtes Leben aufarbeitet, lernt, hat sie es nie geschafft, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Es ist ihr nie gelungen, herauszufinden, wer sie ist oder was sie wirklich will, weil die Persönlichkeit und Ziele ihrer Mutter immer über allem stehen.
Als McCurdy beginnt, von dem Missbrauch zu erzählen, wird das Buch beinahe unerträglich. Ihre Mutter brachte ihr bei, dass sie nur erfolgreich sein kann, wenn sie ein Kind bleibt. Weshalb McCurdy lernt, ihren sich verändernden Körper zu hassen. Alles weibliche, das gleichzeitig für das erwachsen werden steht, hasst sie. Ihre Mutter bringt ihr eine Essstörung bei. Und jedes Familienmitglied sieht dabei zu, niemand sagt etwas.
Ab der Hälfte hat mich diese Biografie vollkommen in seinen Bann gezogen. Zum Einen weil der Inhalt so schockierend ist und ich so viel Mitleid mit McCurdy empfinde. Wie kann ein Mensch sich vom Missbrauch der Mutter erholen, von völlig falsch vorgelebten Familienstrukturen? Von einer Weltanschauung, die nicht nur ungesund, sondern auch gefährlich ist? Gleichzeitig ist dieses Buch so unglaublich gut geschrieben. McCurdy schafft es, die kindlich naive Sichtweise ihrer Kindheit und Jugend festzuhalten, aber gleichzeitig schwingt ein erwachsener reflektierter Unterton mit. Das ist so besonders, das mein eigenes Schriftstellerinnen-Herz höher schlägt. Vor allem McCurdys Art zu erzählen, hat mich nachhaltig beeindruckt.
FAZIT
Diese Biografie hat mich enorm bewegt. Zwar hat mich der Anfang nicht mitgerissen, dafür die zweite Hälfte umso mehr. Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass McCurdy es schafft, ein erfülltes und glückliches Leben zu führen, denn sie hat es mehr als verdient. Sie erzählt in diesem Buch, dass sie schon als Kind lieber schreiben als schauspielern wollte. Und nach diesem unglaublich gut geschriebenen Buch steht für mich eines fest: Sollte sie weitere Bücher veröffentlichen, werde ich sie alle lesen.