Werbung. Von Nicola Yoon habe ich bereits zwei Bücher gelesen „Du neben mir“ und „The Sun is also a Star“. Beide haben mir wahnsinnig gut gefallen, deshalb war es eigentlich überhaupt keine Frage, ob ich auch ihr neuestes Werk lesen würde. Und da ist es, außen schon ein absoluter Hingucker. Kann das Innere da überhaupt noch mithalten?
Meine Meinung
Allein beim Cover denkt man natürlich sofort an eine Liebesgeschichte mit dem Thema Tanzen und dafür bin ich sofort Feuer und Flamme. Ich hätte den Klappentext also gar nicht durchlesen müssen, weil ich schon beim Anblick all in war.
Evie glaubt nicht mehr an die Liebe. Erst recht nicht, als etwas Unfassbares geschieht – sie kann plötzlich die Zukunft von Liebespaaren voraussehen: Alle Liebesgeschichten enden tragisch. Evie versucht noch, mit ihrer seltsamen Gabe zurechtzukommen, als sie bei einem Tanzkurs auf X trifft, der alles verkörpert, was Evie ablehnt: Abenteuerlust, Risikobereitschaft, Leidenschaft. X lebt nach dem Motto, zu allem Ja zu sagen – auch zu dem Tanzwettbewerb, den er und Evie gemeinsam antreten. Evie will sich auf keinen Fall in X verlieben. Doch je länger sie mit X tanzt, desto öfter stellt sie infrage, was sie über das Leben und die Liebe zu wissen glaubt. Ist die Liebe das Risiko vielleicht doch wert?
Quelle: cbj
Und im Nachhinein bin ich mir auch gar nicht mehr so sicher, ob ich den Klappentext überhaupt gelesen habe. Oder ob in der Vorschau ein anderer stand. Denn Evies plötzlich aufkommende Gabe hat mich beim Lesen vollkommen unvorbereitet getroffen. Aber genau das hat der Geschichte rund um Evie und X das gewisse Etwas gegeben.
Den Glauben an die Liebe verloren
„Als wir tanzen lernten“ fing ganz hervorragend an. Nämlich mit einem Mädchen, dessen Eltern sich getrennt haben, das ihren Vater beim Fremdgehen erwischt hat, und das jetzt nicht mit all den Gefühlen umzugehen weiß. Tief drinnen liebt sie ihren Vater natürlich, aber das wird von einer geballten Wut überschattet. All diese Gefühle waren so nahbar. Ich habe mit Evie mitgelitten, während ihre Mom und Schwester ihr Leben ganz normal weiterführen als wäre nichts gewesen. Ich konnte auch verstehen, dass Evie der Liebe abschwört, weil man doch nur verletzt wird. Entweder vom Partner oder vom Schicksal. Ich hatte ziemlich früh den Gedanken: Das wird ein großartiges Jugendbuch, genau so wie ich es mag.
Tanzen
Ich liebe Tanzfilme über alles, ich kann gar nicht sagen, wie oft ich die Step Up-Filme schon gesehen habe. Vor allem deswegen war ich total gespannt auf das Buch und ich liebe es, wie Evie da einfach so reinrutscht und plötzlich nicht nur mit Tanzstunden dasteht, sondern sogar mit einem ziemlich frechen und ziemlich süßen Tanzpartner. Und X ist wirklich toll! Evie hält ihn zu Beginn für einen typischen Aufreißer, aber das ist er überhaupt nicht. Er ist sehr gefühlvoll, nicht wortkarg. Er will sie auch nicht „aufreißen“, sondern einfach kennen lernen. Und da ist direkt ein gewisser Vibe zwischen ihnen, sodass man einfach wahnsinnig gerne über sie liest. Und genau da setzt leider meine Kritik an. Denn sowohl das Thema Tanzen als auch Evie und X kamen mir viel zu kurz. Was unter anderem an der Erzählgeschwindigkeit liegt.
Geschwindigkeit 1.5
Ich hatte beim Lesen ständig das Gefühl, dass Yoon sehr durch die Geschichte durchhetzt. Wobei hetzen das falsche Wort ist, es ist, als hätte sie auf die Vorspulen-Taste geklickt und wir würden alles in doppelter Geschwindigkeit erleben und gar nicht so richtig eintauchen. Von vielen Begegnungen wird eher berichtet, als dass wir erzählerisch tatsächlich dabei sind. Und das finde ich gerade bei einer Liebesgeschichte wahnsinnig traurig. Auch mit Evie und ihrem Vater ging es mir so, dass ich gerne mehr in ihre Beziehung eingetaucht wäre, anstatt zu lesen, dass sie einen tollen Abend hatten und es fast wie früher war. Hier fehlte mir ganz klar dieses Nahbare, das ich zu Beginn des Buches noch so gefeiert habe.
Fazit
Insgesamt hat „Als wir tanzen lernten“ viel Potenzial, das nicht so richtig ausgenutzt wurde. Ich wäre einfach gern noch viel näher an Evie und X drangewesen, hätte die Tanzstunden nicht nur im Schnelldurchlauf erlebt. Genau das, was ich an einem Jugendbuch mit Liebesgeschichte so mag, kam einfach zu kurz.
In der Danksagung erwähnt Nicola Yoon, dass sie dieses Buch geschrieben hat, als sie familiär schwierige Zeiten durchgemacht hat und Verluste verarbeiten musste. Ich denke, das merkt man dem Buch leider an. Weshalb ich bei meiner Kritik auch ein kleines schlechtes Gewissen habe. Ich finde es ganz großartig, wenn Autor*innen Erlebnisse durch ihr Schreiben verarbeiten. Aber insgesamt hätte mir „Als wir tanzen lernten“ einfach besser gefallen, wenn es noch ein bisschen mehr in die Tiefe gegangen wäre und Charaktere und Beziehungen den Raum bekommen hätten, den sie brauchten.