
Diese Rezension wird lang. Als ich sie geschrieben habe, habe ich gemerkt, dass sie viel zu lange wird, hatte gleichzeitig aber das Gefühl, noch nicht genug erzählt zu haben. Da gibt es noch so viel mehr. Und obwohl mich „Fluchbrecher“ nicht mit Karacho vom Hocker gehauen hat, fand ich die Geschichte wirklich gut. Ich warte jetzt darauf, dass irgendein Spieleentwickler Vorena umsetzt.
Meine Meinung
Ein Buch über RPGs – Braucht man das überhaupt? Ich finde ja, und das ist eigentlich ziemlich kurios.
Hin und wieder spiele ich auch RPGs, war früher ein großer Fan von 4Story und anschließend von „Dragon Age“, aber irgendwie ist dieses Story-Ding nicht so meins. Die skippe ich ganz, ganz oft, weil ich beim schauen/spielen so ungeduldig bin.
In einem Buch hat es aber scheinbar funktioniert, denn „Fluchbrecher“ habe ich beendet und es hat mir sehr gut gefallen. Woran liegt das?
Vermutlich am Lesen selbst, weil da nicht so viel Platz für Ungeduld ist, vielleicht aber auch an dem Buch „Fluchbrecher“. Vielleicht war diese Story so gut, dass ich da einfach nichts skippen wollte. Woran es auch liegen mag, dieses Buch bekommt von mir eine ganz klare Empfehlung und zwar aus folgenden Gründen:
1. Spannende Handlung
In diesem Buch geht es vorrangig um Alex, die jahrelang Kampfpilotin für das Amerikanische Militär war. Bis zu einem schweren Autounfall, seit dem sie gelähmt ist. Durch das Gaming-Unternehmen, dessen Namen ich leider vergessen habe (ich und Namen …), hat sie die Möglichkeit sich in ein Spiel integrieren zu lassen, sodass ihre Muskeln weiterhin stimuliert werden, ihr Körper aber ruhig ist, sodass ihre Nerven sich regenerieren können. Das Ziel: wieder laufen zu können.
„Fluchbrecher“ ist also ziemlich futuristisch, was man auch daran merkt, dass es Pods gibt, in die Spieler steigen, um ins Spiel integriert zu werden. Dadurch fühlen sie sich, als wären sie tatsächlich in Vorena, spüren teilweise Schmerzen und können schmecken und riechen. Während die Spieler mit Pods nur zu ca. 40% ins Spiel integriert werden können, ist Alex zu 100% integriert, sodass sie ununterbrochen im Spiel ist, und so fühlt es sich für sie so an, als wäre Vorena die richtige Welt.
Als Leser starten wir mit Alex in einer alten, verlassenen Burg mit jeder Menge verwünschter Skelette. Schon bald erfahren wir, dass diese Burg von Alex‘ virtueller Schwester verflucht wurde und es ihre Aufgabe ist, den Fluch von der Burg und dem angrenzenden Land zu nehmen. Deshalb nimmt sie den Weg zum nächstgelegenen Dorf auf sich. Sie findet Verbündete in Spielern und Nicht-Spielern, aber auch Feinde in anderen Spielern.
Ich bin mir nicht sicher, ob es Absicht ist, dass das ganze gesellschaftskritisch ausgelegt ist. Aber es kann kein Zufall sein, dass lediglich die Spieler die Bösen sind und sich ständig an den Nicht-Spielern vergreifen. Das ganze nimmt so grausame Ausmaße an, dass die Queste zwischendurch ganz in Vergessenheit geraten und eher die Jagd auf Verbrecher im Vordergrund steht.
2. Tolle Charaktere
Ich war von Anfang an begeistert von den Charakteren. Die Protagonistin Alex ist so eine „starke Frau“, wie sie gerade so angesagt ist. Allerdings ist sie es nicht auf diese aufdringliche Art, die sich dann doch als überhaupt nicht stark entpuppt. Sie ist es wirklich. Durch ihre Lähmung hat sie ihr Leben eigentlich schon aufgegeben. Von einer gefeierten Kampfpiloten ist sie zu einem Pflegefall geworden und genau diesen Konflikt merkt man ihr an. Sie entscheidet dennoch besonnen und nie impulsiv. Ich mag es einfach, dass sie so ein ruhiger Charakter ist, der Stärke ausstrahlt, ohne sich besonders hervortun zu müssen. Sie handelt immer schlüssig, hat nie Gefühlsausbrüche, die nur die Handlung vorantreiben sollen, und das fand ich zur Abwechslung wirklich mal angenehm.
Aber auch über die Nebencharaktere liest man wirklich gerne. Denn die kleine Gruppe, die im Laufe der Geschichte zu Alex stößt, besteht aus ihrer alten Einheit. Auch wenn ich nicht ganz nachvollziehen konnte, weshalb sie ebenfalls in das Spiel eintauchen – außer zu Alex‘ Unterstützung vielleicht –, haben sie alle auch ihre ganz eigene Geschichte und dadurch ihre eigenen Probleme und Dramen. Deshalb wirkt wirklich jeder Charakter in diesem Buch so real und stimmig.
3. Macht Lust auf RPGs
Wie ich erwähnt habe, spiele ich selbst hin und wieder Role Playing Games, halte meist aber gar nicht so lange durch, weil ungeduldig und leider mit hoher Sterberate gestraft. Dennoch macht „Fluchbrecher“ große Lust, mal wieder selbst zu spielen. Man möchte auch Queste bestreiten, Stufen aufsteigen, in andere Charaktere und Rassen tauchen. Ich war während des Lesens mehrmals kurz davor, das Buch zuzuklappen und zu einem Spiel zu greifen. Habe ich aber nicht, weil das Buch dann doch so spannend war, dass ich es nicht weglegen wollte.
4. Das ständige Rätseln
Alex muss ganz unterschiedliche Queste bestreiten, sie dienen aber alle dem Ziel, ihr Reich wieder aufzubauen und zurückzuerobern, denn die Ländereien sind mit Flüchen belegt. Während sie das versucht, tauchen aber auch andere Herausforderungen auf, die ihre Aufmerksamkeit verlangen. Und so ertappt man sich auch selbst dabei, wie man überlegt, wie die unterschiedlichen Aufgaben zu lösen sind. Obwohl „Fluchbrecher“ kein interaktives Buch ist, hat es manchmal den Anschein, weil man so viel miträtseln kann.
Nicht alles, das glänzt, ist Gold
Als ich mir Notizen zu diesem Buch gemacht habe, war ich überrascht, wie viele negative Aspekte mir doch aufgefallen sind. Denn ich habe das Buch absolut positiv in Erinnerung und diese störenden Kleinigkeiten sind wohl genau das: Kleinigkeiten.
1. Die Prophezeiungs-Klischeekiste
Es handelt sich in diesem Buch um ein RPG, das von einer Softwarefirma erfunden wurde. Alex hat ihren Charakter auch von dieser Firma zugeteilt bekommen, weshalb man meinen sollte, dass sie nichts besonderes wäre. Gut, dass sie ein paar Spezialfähigkeiten bekommt, um möglichst viel von dem Spiel zu testen, das ist das eine. Dass sie dann aber plötzlich Fähigkeiten bekommt, von denen selbst die Entwickler nichts wissen, das andere.
Ich mag Alex als Protagonistin sehr, wie ich oben bereits geschrieben habe, aber sie wäre auch völlig ohne dieses „Sie ist etwas Besonderes“ ausgekommen, denn ihr Charakter ist so stark, so gut durchdacht, dass er wunderbar ohne funktioniert. So reiht sie sich doch ein bisschen in die Riege der Protagonisten anderer Fantasyromane, die alle etwas besonderes sind.
2. Sex sells
Das dachte sich wohl auch Richard Schwartz während der zweiten Hälfte des Buches. Denn während anfangs nur erwähnt wird, dass die Entwickler gerne von Alex hätten, dass sie alle Funktionen des Spiels – also auch Sex – testet, wird das Thema später merklich aufdringlicher. So erweckt Alex zum Beispiel den Anschein als würde sie nur so pervers denken, weil sie so lange keinen Sex mehr gehabt hätte (ihre Worte), und genauso überraschend nimmt sie plötzlich all die möglichen Sexualpartner wahr. Das ist die einzige drastische Charakterentwicklung von Alex, die ich absolut nicht nachvollziehen kann und plausibel finde. Zum Glück hat diese ganze plötzliche Sex-Sache nur einen geringen Anteil an der Geschichte, sodass ich sie dennoch genießen konnte.
Fazit
Mein Schlusswort zusammenzufassen ohne wieder ins Schwärmen zu geraten, fällt mir sehr schwer. Denn obwohl ich soeben die negativen Aspekte der Geschichte, die mich immer noch die Augen verdrehen lassen, niedergeschrieben habe, habe ich im gesamten ein sehr positives Bild von „Fluchbrecher“ im Kopf. Das Lesen dieser Geschichte hat einfach Spaß gemacht. Ich habe vor allem die tiefgründigen Charaktere genossen und bin schon sehr auf den zweiten Band, der am 1. März erscheint, gespannt.
„Fluchbrecher“ von Richard Schwartz
Piper | 2018 | 480 Seiten
erhältlich als Paperback | eBook
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